Der Fedivision Song Contest 2023

Der Fedivision – Moment mal, Fedi-vision? Heißt das nicht Eurovision und ist das nicht längst Geschichte für 2023? Was schreibt sie da?, so denkt sich vielleicht manche*r beim Lesen der Überschrift.

Ich meine tatsächlich den Fedivision Song Contest und vielleicht muss ich ein wenig ausholen. Wer gerade nicht so viel Zeit zum Lesen hat oder sich nicht für den Hintergrund interessiert, kann hier hinspringen.

Wer mal auf mein Profil klickt, findet dort Links zu verschiedenen Profilen von mir im Fediverse. Ganz grob gesagt ist das ein Netzwerk aus unabhängigen Servern, die alle über ein gemeinsames Protokoll miteinander verbunden sind und die eben nicht einem großen Konzern gehören, der einfach ein Schloss an die Tür hängt, sondern die von engagierten Menschen betrieben werden, denen ein freies und vielfältiges Internet wichtig ist. Es gibt dort verschiedene Dienste: für Microblogging zum Beispiel Pleroma oder Mastodon (wohl der bekannteste Dienst) oder Misskey oder Akkoma, für Fotos Pixelfed, für Videos PeerTube, für längere Diskussionen Friendica und noch einige mehr. Ich selbst nutze hauptsächlich Mastodon, seit einer Weile auch mit eigener Instanz (also einem eigenen Server), was u.a. daran liegt, dass meine Social-Media-Präsenz über lange Jahre nur aus Twitter bestand und Mastodon entfernte Ähnlichkeit mit Twitter hat und vor allem meinem Nutzerinnenverhalten am ehesten entspricht.

Apropos Twitter. Manche von meinen Leser*innen wissen vielleicht, dass ich bis vor einem Dreivierteljahr sehr aktiv auf dieser Plattform war. Im März 2020 begann ich, täglich ein kurzes Orgelvideo zu posten. Eigentlich wollte ich das nur 100 Tage lang machen. Tja, wie das mit „eigentlich“ so ist, wurden es fast drei Jahre. Erst im Spätherbst 2022 hörte ich mit dem täglichen Posting von Videos auf. Und im Januar 2023 verabschiedete ich mich von Twitter und werde die Plattform auch nicht mehr aktiv nutzen.

Meinen ersten Mastodon-Account richtete ich mir im Sommer 2021 ein und inzwischen ist das Fediverse meine Social-Media-Heimat geworden. Ich mag die bunte Vielfalt, und ich mag die Herausforderungen, die ein dezentrales Netzwerk so mit sich bringt. Im Gegensatz zu Twitter, wo ich mit dem Hashtag #Komponistinnen im Grunde alle erreichen konnte, die dort einen Account hatten, erreiche ich im Fediverse zunächst mal nur diejenigen, die mir folgen und dann diejenigen, deren Instanz mit meiner Instanz verbunden ist. Aber das ist okay, denn wenn ich zu meinen Twitter-Anfängen zurückblicke, war auch alles klein und überschaubar.

Und für mich steht Qualität der Interaktionen über Quantität. Ich zähle keine Likes oder Views, sondern freue mich über spannende Kommentare und über interessante Menschen, die ich im Fediverse kennenlerne.

Während meine „Musik-Bubble“ bei Twitter eher klassiklastig war, ist sie im Fediverse erfreulicherweise um einiges vielseitiger geworden. Böse Zungen würden möglicherweise behaupten, dass das daran läge, dass viele „Klassikmenschen“ gar nicht im Fediverse aktiv seien oder dass ich sie wegen der Dezentralität einfach noch nicht gefunden hätte, und das mag teilweise sogar stimmen, aber: es macht mir viel weniger aus, als ich anfangs befürchtet hatte.

Denn durch diese Vielseitigkeit lernte ich irgendwann Stephan kennen und wir tauschten uns über alles mögliche aus, manchmal sogar über Musik. Und wie das Leben so spielt, sah ich eines Tages einen Post von Stephan, in dem er schrieb, er würde gerne Demos von neuen Songs aufnehmen, hätte aber keine Sopranistin. Ich teilte den Beitrag und schrieb dann, halb augenzwinkernd, dass ich Sopran singe. Halt klassisch ausgebildet und mit 0 Ahnung von Tonaufnahmen im nicht-klassischen Bereich. Da Stephan aber ebenso wie ich Lust auf ein Experiment hatte, fingen wir an, Sound-Files auszutauschen. Stephan schickte mir Texte und Demos, ich schickte (schlechte) Aufnahmen der Vocals zurück. Aber es machte unheimlich viel Spaß, und dann näherte sich der Fedivision Song Contest.

Das ist ein im Fediverse organisierter freundlicher Wettstreit für alle Musiker*innen, die Lust haben, ihre Songs zu teilen, egal, aus welchem Genre.

Bei den Demos, die Stephan mir geschickt hatte, war ein Song dabei, der unglaubliches Ohrwurmpotential hatte, aber nicht so recht in Stephans übliches Repertoire zu passen schien. Wir beschlossen, mit diesem Song beim Fedivision Song Contest mitzumachen. Da ich keine Möglichkeit hatte, meinen Beitrag (den Gesang) in so guter Qualität aufzunehmen, dass Stephan damit gut hätte weiterarbeiten können, setzte ich mich an einem schönen Frühlingstag kurzerhand ins Auto und fuhr 150 Kilometer zu Stephans Studio. Wir verbrachten einen wunderbaren Tag an Mikrofon und Aufnahmegeräten und ich habe von dieser Zusammenarbeit unheimlich profitiert. Den eigenen musikalischen Horizont immer mal zu erweitern tut gut und Stephan ist einfach ein großartiger Musiker und ein prima Kerl.

2023 wurden für den Fedivision Song Contest sage und schreibe 43 Songs eingereicht! Nachhören kann man sie (noch) hier und es waren viele wirklich tolle Beiträge dabei. In diesem sehr starken Teilnehmer*feld konnte man sich fast schon verlaufen und ich war überrascht und erfreut, dass der Song nicht nur in den Top Ten gelandet war, worauf ich insgeheim gehofft hatte, sondern dass wir uns den 2. Platz mit den wunderbaren „Negative Players“ teilen durften.

Bei Bandcamp gibt es nicht nur unseren Fedivision-Song zu hören und herunterzuladen (alle Einnahmen gehen als Spende an die Tara Tierhilfe), sondern auch Stephans neuestes Album „Biike“ – kein Tippfehler beim englischen Fahrrad, sondern das in Friesland traditionelle Feuer zur Vertreibung des Winters. Den Song „Friends“ mag ich übrigens besonders gerne.

Ob wir nächstes Jahr wieder beim Fedivision Song Contest mitmachen, steht noch nicht fest. Dass wir aber noch einmal zusammenarbeiten wollen, da sind wir uns einig und ich bin sicher, das wird wieder bereichernd, außerordentlich und spannend.


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