Neulich lachte mein Organistinnen-und-Komponistinnen-Herz. Ein Sammelband mit Orgelmusik von Komponistinnen war bei Strube neu erschienen, und auch wenn ich nach dem Blick ins Inhaltsverzeichnis ahnte, dass mich nicht allzu viel Neues erwarten würde, weil ich die meisten im neuen Band abgedruckten Werke bereits aus anderen Publikationen oder durch meine jahrelange Beschäftigung mit der Musik von Komponistinnen kenne, habe ich gleich auf „bestellen“ geklickt und hielt wenige Tage später ein ringgebundenes Heft im Hochformat in der Hand.
Ich fing an, darin zu blättern, und die Begeisterung verpuffte.
Nicht, weil die darin enthaltenen Werke nichts taugen, nein, da sind grundsätzlich wirklich tolle Sachen dabei. Zum Beispiel die Fuge aus der Orgelsinfonie in h-Moll von Elfrida Andrée und die Fanfare von Rosalie Bonighton und das Präludium in F-Dur, das Fanny Mendelssohn Hensel zu ihrer eigenen Hochzeit geschrieben hat.
Aber leider haben sich einige Fehler eingeschlichen. Ein ganz dickes Ding gleich im ersten Takt der Fanfare von Emma Louise Ashford (übrigens ein richtig, richtig tolles Stück; manualiter spielbar mit ein wenig Pedaleinsatz im Schlussteil, oder für versierte Spieler*innen mit jeder Menge Möglichkeiten, eine Pedalstimme dazu zu spielen) – das hätte beim Korrekturlesen auffallen müssen, dass in diesen Auftakt keine Viertelpause gehört. Und dass op. 159 von Mel Bonis in B-Dur beginnt und endet, aber in Es-Dur mit drei Vorzeichen notiert ist mit Auflösungszeichen vor jedem as, um daraus ein a zu machen, halte ich für fraglich und konnte ich so auch weder bei Carrara noch bei Fortin-Armiane wiederfinden.
Ebenso wie Charles Callahan in seinem „Women Composers Album“ hat sich auch der Herausgeber von „Musica Femina“ dafür entschieden, einige Klavierstücke mit aufzunehmen (z.B. op. 8 von Valborg Aulin, op. 54 von Amy Beach und op. 12 von Louisa Adolpha Le Beau). Dass sowohl Herr Callahan als auch Herr Wagner das Präludium in f-Moll aus op. 12 von Louisa Adolpha Le Beau als „Postlude“ bezeichnen und dass sich beide für genau dieses Präludium von den insgesamt 8 Präludien dieses opus entschieden haben, ist interessant. Übrigens klingen op. 12/2 und op. 12/4 meiner Meinung nach auf der Orgel auch recht gut. Einig waren sich beide Herausgeber auch bei op. 3/1 von Fanny Hensel – im Original in H-Dur, und hier in B-Dur gesetzt.
Gut, man mag einwenden, dass ich manches zu streng sehe, weil ich viele der Stücke gut kenne und mich wie schon gesagt seit Jahren mit Orgelmusik von Komponistinnen beschäftige und dass ich doch eigentlich froh sein sollte, dass wieder Werke von Komponistinnen verlegt wurden.
Doch musste es wirklich sein, das „Maestoso“ von Elizabeth Stirling um die spannendsten Teile mit den wunderbaren Läufen im Pedal zu kürzen oder der „Toccata“ von Mel Bonis einen 3/8-Takt statt dem ursprünglichen 3/4-Takt zu geben, und für das „Spiritoso“ von Theophania Cecil, das eigentlich ein Ausschnitt aus einem längeren Voluntary ist, die verkürzte Version aus dem Band „The English Organist“ zu wählen? Man kann sich sicher darüber streiten, ob der „Sortie“ von Mel Bonis in der rhythmisch in den Schlusstakten etwas anderen Version der Carrara-Edition oder in der hier im Sammelband verwendeten und auch bei Fortin-Armiane so veröffentlichten Version interessanter ist, aber dazu gehört entsprechendes Quellenstudium. Die oben genannten Satzfehler sind jedenfalls nur ärgerlich und bei einem renommierten Verlag hätte ich das so nicht erwartet.
Diesen Sammelband kann ich leider nicht uneingeschränkt empfehlen. Und das ist sehr schade, denn die darin befindlichen Stücke sind gut und vielfältig und ich finde es prima, dass auf eine gewisse Kürze Wert gelegt wurde, um sie z.B. im Gottesdienst spielen zu können. Und es ist auch wunderbar, dass die meisten Stücke ohne großen Übeaufwand auch von Nebenamtler*innen erarbeitet werden können.
So etwas brauchen wir. In guter Satzqualität. Gerne auch Korrektur gelesen und gespielt von Kolleg*innen z.B. im Archiv Frau & Musik oder in der Society of Women Organists oder bei musica femina münchen. Liebe Herausgeber*innen, fragt uns Löcher in den Bauch! Mehr als gerade keine Zeit haben können wir ja nicht. 😉